Samstag, 3. Januar 2015

Weimar als medialer Ort der TV-Kriminellen


Goethe-Morabilien CI



Weimar – als Jetztort im Tatort für Sonntagabende?




„Der irre Iwan“ gestoppelt und gesendet von mdr

http://www.mdr.de/thueringen/tatort_weimar120.html



Weimar als Stadt der Mörder, Gauner und Go-, pardon: Kommissare?





Ein Thema für GOETHE-Memorabilien....?







                                          Krimi als Tingeltangel:
                                          Bildrechte: MDR/Wiedemann & Berg Television/Anke Neugebauer



Hier aber ge(rech)"räch"tigkeitshalber aus der FAZ-Kritik von Oliver Jungen:


„Tatort“ aus Weimar Mit Goethe im FKK-Club


(...)Konsequenter Irrsinn

In jener Welt verkehrt der windige Stadtkämmerer Iwan Windisch, der eigentlich Trauer zu tragen hätte, denn gleich zu Beginn wird bei einem Überfall auf die Kämmerei seine erst kürzlich - und offenbar nur aufgrund besonderer „Untenrum“-Talente - eingestellte Sekretärin erschossen. Schnell verdichten sich Hinweise, dass das vielleicht kein Zufall war. Die Neue, nicht eben mit Genie gesegnet („Die dachte, Outlook wäre ein Teil von Australien“), hatte wohl einige Feinde im Haus, könnte aber auch der Ehe des irren Iwan gefährlich geworden sein. Umso verwunderter sind die Kommissare, dass die Spur ins Jahrmarktumfeld führt, wo man Caspar Bogdanski (Dominique Horwitz), als Figur noch bekannt aus der letzten Folge, auf der Geisterbahn als Kettensägenclown wiedertrifft.
Auf Klassikerkalauer verzichten die Macher natürlich nicht. Goethe wird frech zum Poesiealbumdichter degradiert, indem Ulmen mit „Achtung: Gedicht“-Blick ausgerechnet die millionenfach auf Weimarer Souvenirschrott gedruckten Simpelverslein „Ich ging im Walde“ aufsagt. Die lyrisch auch nur lauwarme „Ginkgo biloba“-Reflexion - „Ist es Ein lebendig Wesen,/ Das sich in sich selbst getrennt?/ Sind es zwei, die sich erlesen,/ Daß man sie als Eines kennt?“ - ist als Spur dann sogar brandheiß, führt mitten hinein in eine „Amphitryon“ und „Die Wahlverwandtschaften“ zusammenzwingende Doppelgängerhandlung, mit der sich das Drehbuch konsequent in den Irrsinn davonmacht. (...)“

  Da empfiehlt sich mit Hilfe der zitierten Quelle, nicht weiter vermuten, dass der Weimar-Krimi einen latenten Sinn hatte, außer Rüpeleien und Unsinn.



Zum Finale: zur Diskussion, aufbereitet bei mdr:


Goethe zu W e i h n a c h t e n 1772

anton@reyntjes.de

Goethe-Memorabilia XC


Goethe zu Weihnachten? Ja, 1772, JWG an seinen Freund Johann Christian Kestner

Goethe verwandelt später den Freund Kestner zum Albert im Werther:
http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/Images/db/wiss/goethe/schnellkurs_goethe/k_3/titelblatt_werther.jpg

An Johann Christian Kestner

                                                                      [Frankfurt, 25. December 1772.]


Cristtag früh. Es ist noch Nacht lieber Kestner, ich binn aufgestanden um bey Lichte Morgens wieder zu schreiben, das mir angenehme Erinnerungen voriger Zeiten zurückruft; ich habe mir Coffee machen lassen den Festtag zu ehren und will euch schreiben biss es Tag ist. Der Türner hat sein Lied schon geblasen ich wachte darüber auf. Gelobet seyst du Jesu Christ. Ich hab diese Zeit des Jahrs gar lieb, die Lieder die man singt; und die Kälte die eingefallen ist macht mich vollends vergnügt. Ich habe gestern einen herrlichen Tag gehabt, ich fürchtete für den heutigen, aber der ist auch gut begonnen und da ist mirs fürs enden nicht Angst. Gestern Nacht versprach ich schon meinen lieben zwey Schattengesichtern euch zu schreiben, sie schweben um mein Bett wie Engel Gottes. Ich hatte gleich bey meiner Ankunft Lottens Silhouette angesteckt, wie ich in Darmstadt war stellen sie mein Bett herein und siehe Lottens Bild steht zu Häupten das freute mich sehr, Lenchen hat jetzt die andre Seite ich danck euch Kestner für das liebe Bild, es stimmt weit mehr mit dem überein was ihr mir von ihr schriebt als alles was ich imaginirt hatte; so ist es nichts mit uns die wir rathen phantasiren und weissagen. Der Türmer hat sich wieder zu mir gekehrt, der Nordwind bringt mir seine Melodie, als blies er vor meinem Fenster. Gestern lieber Kestner war ich mit einigen guten Jungs auf dem Lande, unsre Lustbarkeit war sehr laut, und Geschrey und Gelächter von Anfang zu Ende. Das taugt sonst nichts für die kommende Stunde, doch was können die heiligen Götter nicht wenden wenns Ihnen beliebt, sie gaben mir einen frohen Abend, ich hatte keinen Wein getruncken, mein Aug war ganz unbefangen über die Natur. Ein schöner Abend, als wir zurückgingen es ward Nacht. Nun muss ich dir sagen das ist immer eine Sympatie für meine seele wenn die Sonne lang hinunter ist und die Nacht von Morgen herauf nach Nord und Süd umsich gegriffen hat, und nur noch ein dämmernder Kreis vom abend heraufleuchtet. Seht Kestner wo das Land flach ist ists das herrlichste Schauspiel, ich habe jünger und wärmer Stunden lang so ihr zugesehn hinabdämmern auf meinen Wandrungen. Auf der Brücke hielt ich still. Die düstre Stadt zu beyden Seiten, der Still leuchtende Horizont, der Widerschein im Fluß machte einen köstlichen Eindruck in meine Seele den ich mit beyden Armen umfasste. Ich lief zu den Gerocks lies mir Bleystifft geben und Papier, und zeichnete zu meiner grossen Freude, das ganze Bild so dämmernd warm als es in meiner Seele stand. Sie hatten alle Freude mit mir darüber empfanden alles was ich gemacht hatte und da war ichs erst gewiss, ich bot ihnen an drum zu würfeln, sie schlugens aus und wollen ich solls Mercken schicken. Nun hängst hier an meiner Wand, und freut mich heute wie gestern. Wir hatten einen schönen Abend zusammen wie Leute denen das Glück ein groses geschenck gemacht hat, und ich schlief ein den heiligen im Himmel danckend, dass sie uns Kinderfreude zum Crist bescheeren wollen. Als ich über den Marckt ging und die vielen Lichter und Spielsachen sah dacht ich an euch und meine Bubens wie ihr ihnen kommen würdet, diesen Augenblick ein Himlischer Bote mit dem blauen Evangelio, und wie aufgerollt sie das Buch erbauen werde. Hätt ich bey euch seyn können ich hätte wollen so ein Fest Wachsstöcke illuminiren, dass es in den kleinen Köpfen ein Widerschein der Herrlichkeit des Himmels geglänzt hätte. Die Tohrschließer kommen vom Burgemeister, und rasseln mit Schlüsseln. Das erste Grau des Tags kommt mir über des Nachbaars Haus und die Glocken läuten einer Cristlichen Gemeinde zusammen. Wohl ich bin erbaut hier oben auf meiner Stube, die ich lang nicht so lieb hatte als ietzt. Sie ist mir den glücklichsten Bildern ausgeziert die mir freundlichen guten Morgen sagen. Sieben Köpfe nach Raphael, eingegeben vom lebendigen Geiste, einen davon hab ich nachgezeichnet und binn zufrieden mit ob gleich nicht so froh. Aber meine lieben Mädgen. Lotte ist auch da und Lenchen auch. Sagen Sie Lenchen ich wünschte so sehnlich zu kommen und ihr die Hände zu küssen als der Musier der so herzinnigliche Briefe schreibt. Das ist gar ein armseliger Herre. Ich wollte meiner Tochter ein Deckbette mit solchen Billetdous füttern und füllen, und sie sollte so ruhig drunter schlafen wie ein Kind. Meine Schwester hat herzlich gelacht, sie hat von ihrer Jugend her auch noch dergleichen. Was ein mädgen ist von gutem Gefühl müssen dergleichen Sachen zuwieder seyn wie ein stinckig Ey. Der Kamm ist vertauscht, nicht so schön an Farb und Gestalt als der erste, hoffe doch brauchbaarer. Lotte hat ein klein Köpfgen, aber es ist ein Köpfgen.
Der Tag kommt mit Macht, wenn das Glück so schnell im avanziren ist, so machen wir balde Hochzeit. Noch eine Seite muss ich schreiben so lang tuh ich als säh ichs Tageslicht nicht.
Grüst mir Kielmannseg. Er soll mich lieb behalten.
Der Scheiskerl in Giessen der sich um uns bekümmert wie das Mütterlein im Evangelio um den verlohrnen Groschen, und überal nach uns leuchtet und stöbert, dessen Nahme keinen Brief verunzieren müßte in dem Lottens Nahme steht und eurer. Der Kerl ärgert sich dass wir nicht nach ihm sehn, und sucht und zu necken dass wir seyn gedencken. Er hat um meine Baukunst geschrieben und gefragt so hastig, dass man ihm ansah das ist gefunden Fressen für seinen Zahn. hat auch flugs in die Frankfurter Zeitung eine Rezension gesudelt von der man mir erzält hat. Als ein wahrer Esel frisst er die Disteln die um meinen Garten wachsen nagt an der Hecke die ihn vor solchen Tieren verzäunt und schreit denn sein Critisches I! a! ob er nicht etwa dem Herrn in seiner Laube bedeuten möchte: ich binn auch da.
Nun Adieu, es ist hell Licht. Gott sey bey euch, wie ich bey euch binn. Der Tag ist festlich angefangen. Leider muß ich nun die schönen Stunden mit Rezensiren verderben ich tuhs aber mit gutem Muth denn es ist fürs letzte Blat.
Lebt wohl und denkt an mich das seltsame Mittelding zwischen dem reichen Mann und dem armen Lazarus.
Grüst mir die Lieben alle. Und lasst von euch hören.                J W G.


Post Scriptum:

Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 2, S. 13-52.
Permalink:
Text und Kommentar aus: JWG: Briefe. Hamburger Ausgabe in 4 Bänden. Bd 1. S. 138-140.
Erläuterungen:
Vorab hatte JWG dem Kestner schon geschrieben, mit der Datenangabe „Dezember 1772“.
*

Lenchen] Helene Buff, geb. 1756, Lottes Schwester, die wahrscheinlich während Goethes Wetzlar-Aufenthalt abwesend war. Vgl. Goethe Brief, der den Glückwunsch zur Vermählung darstellt; als Höhepunkt Goethescher literarischer Abbreviatur eigener Gefühle:
An Johann Christian Kestner
[Frankfurt, zwischen 4. und 9. April 1773.]
Gott seegn euch denn ihr habt mich überrascht. Auf den Charfreytag wollt ich heilig Grab machen und Lottens Sillhouette begraben. So hängt sie noch und soll denn auch hängen biss ich sterbe. Lebt wohl. Grüsst mir euern Engel und Lengen sie soll die zweyte Lotte werden, und es soll ihr eben so wohl gehen. Ich wandre in Wüsten da kein Wasser ist, meine Haare sind mir Schatten und mein Blut mein Brunnen. Und euer Schiff doch mit bunten flaggen und Jauchzen zuerst im Hafen freut mich. Ich gehe nicht in die Schweiz. Und unter und über Gottes Himmel binn ich euer Freund und Lottens.“ (Briefe. Bd. 1. S. 145)i]
– Wer diese religiös-biblische Inhärenz interpretatorisch nachvollziehen kann – von Himmel und Erde, Wüste und Schattenlosigkeit - mag gewappnet für alles Wertherische sein. Die Unterschiede zum alten, alttestamentarischen Wandern im Schutze des Herrn sind elementarii.


Türner] DWB: „thürmer, türmer, m. 1) mhd. und md. türner, turner, der thurmwächter (auf dem wacht- oder gefängnisthurme), thurmbläser (...)“, mit Angabe der Goethes-Zitates: „Göthe 8, 123 (der thürmer 42, 160, 397); der türner hat sein lied schon geblasen, ich wachte drüber auf. br. 116 (2, 49); Goethe kannt auch Türmer.“

Gerock] Frankkfurter Kaufmann, Nachbar Goethes

Köpfe nach Raphael] Zwei von ihnen hatte Goethe für Lavaters „Physiognomische Fragmente“ (1775-1778) besprochen.

Musier] Monsieur (unbekannter Mensch)

Kielmannseg] Freiherr von Kielmannsegg, Praktikant vom Wetzlarer Reichsskammergericht

Scheiskerl in Gießen] Christian Heinrich Schmid (1746 – 1800), Kritiker, lehrte seit 1771 Beredsamkeit und Dichtkunst an der Universität Gießen. Vgl., pardon: auf dieser Wiki-Seite wird die Beziehung zu Goethe völlig verschwiegen. Genauere Angaben finden wir bei von Wilpert. 1998. S. 950f.:
http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Heinrich_Schmid

im Evangelio] Lukas 15,8f.: „Vom verlorenen Groschen“:
8 Oder welches Weib ist, die zehn Groschen hat, so sie der einen verliert, die nicht ein Licht anzünde und kehre das Haus und suche mit Fleiß, bis daß sie ihn finde? 9 Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freuet euch mit mir; denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte. 10 Also auch, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut. (Epheser 3.10)
fürs letzte Blat] Die Anspielung bezieht sich auf zeitweilige Publikationsvorhaben.
reichen Mann und dem armen Lazarus] Lukas 16,19f.: biblische Narrativa haben für JWG reale Präsenz; er hat in seinem Frühwerk viele biblische Aussagen nicht nur präsentiert, sondern präsentisch realisiert. Vgl. den letzten Brief des sterbenskranken und -willigen Werther mit drei unterschiedlichen religiösen Vergegenwärtigungen, die in der neurotischen Ich-Perspektive begründet sind als Selbstaussage.


iVgl. zur religiösen Metapher des „Wanderns“: http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/goethe/prometheus_reinhardt.pdf
iihttp://de.wikipedia.org/wiki/Psalm_23#Der_Text_des_Psalm_23

Freitag, 26. September 2014

Strittmatter über Goethes "Dichtung und Wissenschaft"



Goethe-Memorabilien XXIII

 

Erwin Strittmatter:

(Tagebuchnotiz am 30. Dezember 1969)
Dichtung und Wissenschaft (erg.:Wahrheit)




Schopenhauer war eigentlich ein Dichter, man erkennt es an seinem stilistischen Schwung, an der Kühnheit seiner Gedanken, an seiner Sicht auf den Zusammenhang der Welt: Keine Ursache ohne Wirkung, keine Wirkung ohne Ursache: Der Spatz, der seine Federn putzt, tut es nicht ohne Ursache, nicht ohne Wirkung, nicht ohne einen wenn auch noch so kleinen Zusammenhang mit dem Weltganzen.

Schopenhauer machte seinen Wert als Dichter durch das philosophische System, das er uns hinstellte, fragwürdig. Dem wahren Dichtertum sind philosophische Systeme unzuträglich.

Auch Nietzsche, der sich eine Zeitlang als Schüler Schopenhauers sah, war vom Urtalent her ein Dichter. Große Dichtung kommt nie ohne Philosophie aus, aber sehr wohl ohne philosophisches System. Jeder Wissenschaftler sucht seine Erkenntnisse unter das Dach eines Systems zu bringen. Während die Systeme der Wissenschaftler .aber veralten, blieben die Wahrheiten, die die griechischen Tragödiendichter aus dem Leben kelterten, gültig und gelten bis in unsere Zeit hinein.

Goethe war groß, weil er in der Wissenschaft nicht weniger zu Hause war als manche seiner Zeitgenossen, die sich Wissenschaftler nannten, und weil er trotzdem der Wissenschaft nicht gestattete, über sein Dichtertum zu herrschen. Deshalb lebt er unter uns, während die Kronen, die den Wissenschaftlern seiner Zeit aufgesetzt wurden, längst verrostet sind.

Tolstoi wäre nicht groß, wenn nur sein religiöses System, nicht aber seine Romane und Erzählungen auf uns gekommen wären. Er war sein Leben lang als Dichter gefährdet. Es lag beständig ein System auf Lauer, seine Größe als Dichter zu verschlingen.

Thoreau, von dem ich nur ein Buch kenne, hielt sein Dichtertum hoch, obwohl er alle ihm zu Gebote stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse beim Schreiben verwandte; aber er verwandte sie so, daß sie die Poesie nicht erstickten.

Ich rechne Emerson zu dieser Art von standhaften Dichtern. Auch ihm diente die Wissenschaft, das Primat des Künstlers zu beweisen. Ihn nicht als Dichter gelten zu lassen, weil er nur Essays schrieb, erscheint mir so unsinnig, wie wenn man einem Manne, der nur Romane schrieb, das Dichtertum absprechen würde.

Walt Whitman nahm in seinen "Grashalmen" bald einen wissenschaftlichen, bald den Standpunkt des Dichters ein. Er zeigt die Welt hier wissenschaftlich analysiert, dort in synthetisierender Zusammenschau und legt schließlich doch das Gramm, das zum Überwiegen gehört, auf die Waagschale des Dichters.

*

Als Text zuerst vorgestellt in EStr.: Wahre Geschichten aller Ard(t). Aus Tagebüchern. 1982. S. 206f. – ESt.s Kenntnisse der Wissenschaften sind beschränkt. Er könnte z.B. den Weltall-Erklärer, der die Gravitationslehre begründete, kennen: Isaac Newton. Goethe betrachtete ihn als Erbfeind, den er mit seiner Lehre vom Licht niederringen wollte. Ächte Waldorfianer wissen es noch heute 'besser' und laden ihr Wissen und ihre ZU-, pardon: Zukunftskunde gerne & ergiebig in Deutsch-und Kunststunden über ver- und gesammelte Schüler ab.

Vgl. die geordneten Erkenntnise zu diesem Thema in der Wikipedia.


Die Aussagen von Denkern über Goethe und die Naturwissenschaften hängen davon ab, was der jeweils „Erkennende“ aus dem großen Feld der Naturwissenschaften intus und an Begriffen verfügbar hat, ob anthroposophisch, ob astrologisch, ob astrophysikalisch.

ESt.s Ausführungen können so l´art pour l´art" als wackere Eigenerkenntnis in der Tagebuchnotiz am 30. Dezember 1969 gelten. Dass damals Dichter und Denker wie Emerson und Thoreau in der DDR öffentlich goutierbar waren, hing von den Interessen und Selbstverständnis ab, die DDR-Autoren eigenständig und eigenverantwortlich  mobilisieren mussten.- Wie & woher EStr. 1969 seine Weis-, pardon: Studien begrüdnen konnte, ist wohl in Lehrbüchern der polytechnischen Unterrichtsstunden des EOS zu eruieren.


Mittwoch, 24. September 2014

Erwin Strittmatter: Großmutter und die Sperlinge



Goethe-Memorabilie XXII


 

Strittmatter, Erwin: Großmutter und die Sperlinge

Ob Gott, ob Goethe, ob Evangelisches Gesangbuch – hier gedeiht kleiner Leute Leben:



In Strittmatters Erzählbänden sind seine aus dem kontextuellen Zusammenhang der Tagebücher gelösten Kurzprosawerke erschienen. Ob es dort um Gott, Goethe oder Gesangbüchern, Herr und Hund, „Bienkopp“ oder Toni Schwabe oder Bertolt Brecht geht, die Prosa ist in einigen Beispielen im herben Sinn realistisch (teils im sozialistischen Realsimus), volksnah, herzhaft und recht & einmalig in deutschen Literaturlandschaften. Wenn ich Vergleichsnamen aus den damals wesent-westlichen, industriellen Triften, der Liteatur der BRD, nennen sollte, fielen mir Wolfdietrich Schnurre, Hans Bender und Heinrich Böll ein, aber nicht die etlicher modisch-intellektueller Text-Profess- oder Operatoren.

Diese primär hervorgehobenen Naturbeschreibung, einer wahr-realen Kurzgeschichte handelt nach dem Geschmack und Provenienz des Bloggers, eines von den Anfängen her niederländischen, mittlerweile gereiften Mannes, der Hochdeutsch in den Klassen der Volksschule (um 1958 in einer niederrheinischen Volksschule in Goch, Kreis Kleve), der sich Literatur von Gott und der Welt, von Land und Leuten, Plattdeutsch und verwandten Landstrichen herausgesucht hat, die ihm wohlzeit seines Lebens verbindlich bleiben (werden).

Von Tiegeln, von der "keuk" und den vom Herfeuer gewärmten Küken, von der Küche und den gemeinsamen, kargen Mahlzeiten einer zehnköpfigen Landarbeiterfamilien weiß er (AStRey) zu berichten -und in Texten zu vergleichen suchen...

Strittmatters Erzählung gilt ihm als ein exemplum vitae, auch wenn die Echtzeit und die Sozialisation des Geschehens lange, wohl mehr als ein Jahrhundert, vorbei zu sein scheint.  [Ich hätte solches gerne von meiner Mutter über ihre Elrern - aufgewachsen im Maastrichter Land/NL - erzählen gehört. Die Religiosität der Erzählfigur Großmutter hätte wohl nicht so gebildet pietätvoll geklungen...]

Ich werde andere, existenzielle Kurzprosa moderner Autoren nach 1945, vergleichbar diesem Beispiel, in absehbarer Zukunft hier anbieten, damit mensch sich an sie erInnern kann ...

10. Dezember 1969 [Datum des Eintrags in den „Tagebüchern“ der Jahre 1954 - 1973]

Erwin Strittmatter: 
Großmutter und die Sperlinge



Wenn es herbstelte und nebelte, schüttelte sich Großmutter: Ach, mir graut schon vorn Winter.

Bist du krank, Großmutter?

Krank nich, aber das verfluchte Sperlingsgeruppe.

An einem Sonnabend kurz vor Weihnachten war Großvaters Spatzenfangtag. Er kroch mit der Stall-Lampe auf den Heuboden und beklopfte und hinterstochte die Dachsparren und Dachbalken, und Spatzen flogen auf und flogen gegen seine Stall-Laterne, und wir Jungen mußten sie greifen und in einen weißen Leinewandsack stecken.

Von Zeit zu Zeit befühlte Großvater den Sack, und schließlich sagte er: Genung, der Tiegel is vull.

Beim Töten der Spatzen durften wir nicht zusehen. Großvater besorgte es in seiner Baukammer. Dann und wann prallte ein Spatz gegen das Baukammerfenster, und Großvaters Hand mit dem dicken Daumen erschien, um den Vogel wieder zu greifen. Manchmal aber flog der Spatz doch davon, und wir hörten Großvater fluchen: Der Deibel soll sich dir broaten!

Sodann begann, wovor es Großmutter schon im Herbst graute - das große Sperlingsrupfen. Wir Kinder hätten gern dabei geholfen, aber Großmutter war eigensinnig.

Wir rupften die Spatzen nicht richtig. Sollte sie sich vom Großvater sagen lassen: Kleene Igel freß ich nich.

Großmutter zog das Kirchengesangbuch aus dem Kommodenfach, gab es uns hin und sagte: Singt mir was!

Wir sangen: Die Ernt ist nun zu Ende ... oder Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Leben!

Wie ein Nebel bald entstehet und auch wieder bald vergehet, so ist unser Leben, sehet!

Während wir sangen, flogen Spatzenfederchen, zart wie Libellenfliegen, durch die Großelternstube. Ob man seine Mütze aufs alte Segeltuchsofa warf, oder ob man sein Halstuch vom Kleiderrechen nahm, nichts ließ sich ausführen ohne das Getümmel eines Spatzenfederschwarmes. Es war, als ob jedes Federchen mit dem Charakter der aufdringlichen Hofvögel ausgestattet wäre.


Wenn die Spatzen in ihrem Tiegel im Bratröhr aufkreischten, sagte Großvater: Seid stille, ihr hoabt eich bei uns gemästet!

Großmutter zog den Tiegel aus dem Röhr und überprüfte die Gare der gebratenen Spatzen. Die Spatzenleiber lagen auf dem Rücken im Tiegel, die Schenkelchen, wie Hilfe heischend, in die blaue Bratluft gereckt. Ach, ach! sagte die Großmutter und hielt sich die Augen zu.

Denn mußte dir ooch bei Schweineschinken die Oogen zuhalten, tadelte Großvater sie.

Großmutter tat, als wären ihr Spatzenfederchen in die Augen geflogen, und sie sagte: Schweinsborsten fliegen dir ja ooch nich in die Oogen.

Wenn später der Tiegel auf dem Tisch stand und wir uns mit Großvater zum Spatzenessen niedersetzten, verschwand Großmutter. Wo willste hin, Alte? fragte der Großvater.

Schnell die Ziege melken!

Der Inhalt des Tiegels ging zu Ende, und Großvater zwinkerte uns zu: Die Ziege muß ja heite mächtig Milch hoaben.


**
In: Erwin Strittmatter: Wahre Geschichten aller Ard(t). Berlin 1982. S. 203ff. - Die Geschichte steht nicht - wie andere erzählerische Besonderheiten - in dem 2012 veröffentlichten Tagebüchern der Jahre 1956 bis 1973: „Nachrichten aus meinem Leben“. Berlin 2012: atb 2014. -


**

Ergänzungen und Worterläuterungen zum Text:



„Tiegel“: Wie schön sich Sprache erschließt, von der urtümlich in der Handhabung der Menschen erzählt wird, ist dieser „Tiegel“ aus Großmutters „Keuk“ (nd.), „Küche“ (hd.), wie er auch vor 1900 aussah, real und realistisch er-fass-bar.
 Vgl. Pfeifers Etymologie: " Tiegel m. ‘flaches Gefäß zum Erhitzen und Schmelzen’, landschaftlich (omd.) ‘Pfanne mit Stiel’, (südd.) ‘(flacher) Topf’, ahd. tegel (um 1000)(...)"
http://dwds.de/?qu=Tiegel

„Geruppe“: Wer mag , kann sich die Weißheiten germanistischer Lautverschiebungen, hier von „pp“ zu „pf“, mit ihren sprachgeschichtlichen Erkenntnissen anlesen.

*
Erläuterungen zu den anzitierten Kirchenliedern evangelischer Provenienz:
Wie lange diese Lieder aus dem „Evangelischen Gesangbuch“ abgelesen werden mussten, um eine Angleichung menschlich-irdischer und religiös-ideeller Stimmungen zu vermitteln. Solche Funktionen betenden und gebeteten Lebens sind schon immer relevant gewesen, aber immer wieder versucht worden, um eine Gott-Gestimmtheit zu vermitteln, die aber für Arbeitende, Arme nur eine materielle Schinderei war: Armseligkeit, die zuweilen durch Herzhaftigkeit und familiäre und leib-liebende Nähe erfüllend war!
 
Text: „Die Ernt ist nun zu Ende“: (Aus: Ev. Gesangbuch 505)

Gottfried Tollmann, 1725 (1680-1766)

1. Die Ernt ist nun zu Ende,
der Segen eingebracht,
woraus Gott alle Stände
satt, reich und fröhlich macht.
Der treue Gott lebt noch,
man kann es deutlich merken
an so viel Liebeswerken,
drum preisen wir ihn hoch.

2. Wir rühmen seine Güte,
die uns das Feld bestellt
und oft ohn unsre Bitte
getan, was uns gefällt;
die immer noch geschont,
ob wir gleich gottlos leben,
die Fried und Ruh gegeben,
daß jeder sicher wohnt.

3. Zwar manchen schönen Segen
hat böses Tun verderbt,
den wir auf guten Wegen
sonst hätten noch ererbt;
doch hat Gott mehr getan
aus unverdienter Güte,
als Mund, Herz und Gemüte
nach Würden rühmen kann.

4. O allerliebster Vater,
du hast viel Dank verdient;
du mildester Berater
machst, daß uns Segen grünt.
Wohlan, dich loben wir
für abgewandten Schaden,
fur viel und große Gnaden;
Herr Gott, wir danken dir.

5. Zum Danken kommt das Bitten:
du wollest, treuer Gott,
vor Feuer uns behüten
und aller andern Not.
Regier die Obrigkeit,
erhalte deine Gaben,
daß wir uns damit laben,
gib friedevolle Zeit.

6. Kommt unser Lebensende,
so nimm du unsern Geist
in deine Vaterhände,
da er der Ruh genießt,
da ihm kein Leid bewußt;
so ernten wir mit Freuden
nach ausgestandnem Leiden
die Garben voller Lust.

7. Gib, daß zu dir uns lenket,
was du zum Unterhalt
des Leibes hast geschenket,
daß wir dich mannigfalt
in deinen Gaben sehn,
mit Herzen, Mund und Leben
dir Dank und Ehre geben.
O laß es doch geschehn!

(Es existieren offensichtlich unterschiedliche Fassungen dieses Kirchenliedes.)

*
Zugabe: In der neuesten Auflag des „Evangelischen Gesangbuchs“ folgt auf dieses Erntedank-Lied ein
Text von Eva Strittmatter, noch ein Liedchen bzw. Gebet?

Brot

Man muss sein Brot mit gar nichts essen.
Mit nichts als Licht und Luft bestreut.

Gefühle, die man ganz vergessen,
Geschmack und Duft der Kinderzeit,
Sie sind im trocknen Brot beschlossen,
Wenn man es unterm Himmel isst.

Doch wird die Weisheit nur genossen,
Wenn man den Hunger nicht vergisst.


(In Evangelisches Gesangbuch. O. J.  S. 887)


* ~ *
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig. (um 1650)

1.
     Ach wie flüchtig,
Ach wie nichtig
Ist der Menschen Leben!
     Wie ein NEBEL bald entstehet
Und auch wieder bald vergehet,
So ist unser LEBEN, sehet!

2.
     Ach wie nichtig,
Ach wie flüchtig
Sind der Menschen Tage!
     Wie ein Strohm beginnt zu rinnen
Und mit lauffen nicht helt innen,
So fährt unsre Zeit von hinnen!

3.
     Ach wie flüchtig,
Ach wie nichtig
Ist der Menschen Freüde!
     Wie sich wechseln Stund und zeiten,
Licht und Dunckel, Fried und streiten,
So sind unsre Fröligkeiten !

4.
     Ach wie nichtig,
Ach wie flüchtig
Ist der Menschen Schöne!
     Wie ein Blümlein bald vergehet,
Wenn ein rauhes Lüfftlein wehet,
So ist unsre Schöne, sehet!

5.
     Ach wie flüchtig,
Ach wie nichtig
Ist der Menschen Stärcke!
     Der sich wie ein Löw erwiesen,
Überworffen mit den Riesen,
Den wirfft eine kleine Drüsen!

6.
     Ach wie nichtig,
Ach wie flüchtig
Ist der Menschen Glücke!
     Wie sich eine Kugel drehet,
Die bald da, bald dorten stehet,
So ist unser Glücke, sehet!

7.
     Ach wie flüchtig,
Ach wie nichtig
Ist der Menschen Ehre!
     Über den, dem man hat müssen
Heüt die Hände höflich küssen,
Geht man morgen gar mit Füssen!

8.
     Ach wie nichtig,
Ach wie flüchtig
ist der Menschen Wissen!
     Der das Wort kunt prächtig führen
Und vernünfftig diskurrien,
Muß bald alle Witz verlieren!

9.
     Ach wie flüchtig,
Ach wie nichtig
Ist der Menschen Tichten!
     Der, so Kunst hat lieb gewonnen
Und manch schönes Werck ersonnen,
Wird zu letzt vom Todt erronnen !

10.
     Ach wie nichtig,
Ach wie flüchtig
Sind der Menschen Schätze!
     Es kan Gluht und Fluth entstehen,
Dadurch, eh wir uns versehen,
Alles muß zu trümmern gehen!

11.
     Ach wie flüchtig,
Ach wie nichtig
Ist der Menschen Herrschen!
     Der durch Macht ist hoch gestiegen,
Muß zu letzt aus unvermügen
In dem Grab erniedrigt ligen!

12.
     Ach wie nichtig,
Ach wie flüchtig
Ist der Menschen Prangen!
     Der im Purpur hoch vermessen
Ist als wie ein Gott gesessen,
Dessen wird im Todt vergessen!

13.
     Ach wie flüchtig,
Ach wie nichtig
Sind der Menschen Sachen!
     Alles, alles, was wir sehen,
Das muß fallen und vergehen:
Wer GOtt fürcht, wird ewig stehen!
*
Nach anderer Anordnung geht die Strophe 8 so:

Vgl. Die Fassung in Wikisource:
*

Vor- und Nachgedachtes:

Strittmatters urige, volkstümliche, herzerwärmende Geschichte ist sprachlich und von den erzählerischen, sowie personalen und sachlichen Aspekten her ein Urbild einer Familiesituation, wo die Ehe und Familie als Lebensgemeinschaft in eiskalten und wenig komfortablen Zeiten sich zu behaupten wussten: durch "Bauernschläue", Gottergebenheit, Humor und Selbstbehauptung als Finesse und Offenheit zu Partner und Kindern.

Nachklang:
Und warum „Goethe“ hier zu nennen war? Strittmatter war Goethe-Leser, ohne Goethianer oder Goethe-Philologe zu sein: Hierzu ein Tagebuchtext (aus den Jahren 1966/67):
„In Weimar: Vergangenheit ist alt gewordene Gegenwart.“ (ST. In: Ermunterungen“. 1981. S. 44)

Und poeteologisch-intentional, geradezu archaisch, dass dem Leser Respekt vermittelt wird ob des Einfachen, des Urigen, des Volkstümlichen (das kein '-tümelndes' ist

„Das Fenster ist ein zivilisiertes Loch, der Stuhl ein zivilisierter Stein und der Schrank ist eine zivilisierte Vertiefung im Gefels. Der Teller ist die Nachbildung der Hand, die Schüssel eine Nachbildung zweier aneinandergehaltener Hände, und auch die Gabel ist eine stilisierte Hand mit gespreizten Fingern. – Es macht mir zuweilen Spaß, die Urform der Dinge zu ergründen, ohne die zu befragen, die von Berufs wegen drüber Bescheid wissen.“ - (Aus: EStr.s „Ermunterungen" 1981. S. 60f.)

Nicht nur die Wortbildung „Gefels“, auch den Sinn dieser wörtlichen Urtümlichkeiten kann der Leser sich er-worten. Vorfahren, Großeltern, Dichter sprechen zu mir, wenn ich ST. lese. Wer lässt sich einladen?

Die Erinnerung an eine niederdeutsche, von Armut und Einfachheit geprägte Winterszenerie ist ein Wintergemälde – ein erzähltes:

Hiervon wollte ich berichten in der Goethe-Memorabilie XXII

Hier mehr über Goethe, Weimarisches und Strittmatter


Dienstag, 26. August 2014

Goethe und Mascha K a l é k o




G  o  e  t  h  e -  M e m o r a b i l i e n   II 





Goethe (und Goethes Werke) im Denken und im GeDicht  von  Mascha K a l é k o  






Mascha Kaléko:

Ansprache eines Bücherwurms



Der Kakerlak nährt sich vom Mist,

Die Motte frisst gern Tücher,

Ja selbst der Wurm ist, was er isst.

Und ich, ich fresse Bücher…



Ob Prosa oder Poesie,

Ob Mord – ob Heldentaten -

Ich schmause und genieße sie

Wie einen Gänsebraten.



Ich bin ein sehr belesener Herr,

Nicht wie die andern Viecher!

Dass Bücher bilden, wisst auch ihr,

Und ich – ich fresse Bücher.



Die Nahrung, sie behagt mir wohl,

Verleiht mir Grips und Stärke.

Was andern Wurst mit Sauerkohl,

Das sind mir Goethes Werke.



Ich fraß mich durch die Literatur

So mancher Bibliotheken;

Doch warn das meiste, glaubt es nur,

Bloß elende Scharteken.



Das Bücherfressen macht gescheit.

So denken sich ́s die Schlauen.

Doch wer zu viel frisst, hat nicht Zeit,

Es richtig zu verdauen.



Drum lest mit Maß, doch lest genug,

Dann wird’s euch wohl ergehen.

Bloß Bücher fressen macht nicht klug!

Man muss sie auch verstehen.



*
Der Text stammt aus dem von der Autorin zuletzt geplanten Kinderbuch „Die Tante aus Amerika“ (entstanden 1966).

Macha Kaleko war neben Else Lasker-Schüler die bedeutendste jüdischen Poetin im Deutschland der 20- und 30er Jahre. Ihr gelang zunächst die Flucht in die Schweiz; später in die USA. Um ihre Funken sprühende Poesie zu kennzeichnen, wird sie als die „weibliche Erich Kästner“ geehrt.


 Zitiert aus: Mascha Kaléko: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. I. Werke. München 2012. S. 563f. 

Zu Leben und erk, pardon: W e r k  der Dichterin  Mascha Kaléko:


 

Mittwoch, 14. Mai 2014

Goethe-Memorabilia 1

Goethe-Memorabilia 1



 Warum ich diesen BLOG aufgemacht und so con-genial benannt habe, werde ich später schreiben.

Es - das BLOG - soll sich dem AufGäbelchen widmen, Goethe-Wissen, nicht: Goethe-Andachten, vermitteln, die in einer – später zu schildernden - Folgewirkung zu diesem Unterfangen entstanden sind: Und der tote Goethe als Goethekopf – von Schaper?

Da ist mehr zu sehen als der Goethe-Kopf! Exclusiv: the Head of master : Foto von Andres Imhof (19.08.2009)




Ein kurzes Vorab: Ein Goethe-Abend In der professoralen Einleitung ein nicht diskutierbares Zitat. Wer es glaubt, dem kann ich nicht helfen: Breyten Breytenbach: Es gibt keinen Fortschritt „Aufklärung und Demokratie haben die Welt nicht besser gemacht. Die Triumphe der Technik zerstören die Umwelt, und im Namen der Menschenrechte wird Krieg geführt. Auch die westliche Utopie vom Neuen Menschen ist gescheitert. Was nun?“ (So, unkommentiert in DIE ZEIT vom 02.12.2004.) Eine differenziertere Reflexion über Fortschrittlichkeit/Fortschritt von Breytenbach findet sich hier auch nicht. Theo Buck ist emeritierter Professor für Neuere Deutsche Literatur an der RWTH Aachen. Er trug Begriffe von Goethe vor, die man zwar nachklagen, pardon: -schlagen in von Wilperts Goethe-Lexikon; aber sie zeigen nichts Erzählerisches, nicht Geistiges von Goethe, das sich heute anbieten ließe jungen Menschen, jungen Zuhörern; aber der Professor beklagte ausdrücklich das Fehlen von jungen Menschen, gar Schülern: Entelechie, Mikrokosmos, Makrokosmos; die ihren dramatischen Sitz in der Mittelalterlichkeit der Faust-Komi-, pardon: Kosmologie hatten). Es fehlte – wenigstens ausdrücklich-begrifflich: die Astrologie und der Umgang mit Horoskopen… Was und wie er von Goethe vortrug, das konnte das Fehlen junger Menschen in der „Goethe-Gesellschaft im Vest“ bestens erklären. Ebenso der Lehrer, die den Verein und seinen Themen meiden. Ich mixe gerne meine literarische Interessen: Mörike, Tucholsky, Goethe etc. Das sieht dann so aus: Goethe über Fontane? Was Mörike über sich selber? Böll über Jünger? Jünger über Älter? Fontane imitiert Walter Jens? Und Derselbe zitteriert Ernst Nolde? Oder. Tucholsky über Grass? Ach, nein? Aber, eben- alles so vielfältig. Das Wörternetz gibt alles her! Ergo: heute Fontane ... über Goethe: Zur Einstimmung. ein glückliches Fontane-Denkmal (Ich stand einmal dort. Schwang mich auf die Paradebank. Machte es mir gemütlich. Und knipste mich, bis die Polizei kam):

Theodor Fontane: Was mir gefällt Du fragst: ob mir in dieser Welt Überhaupt noch was gefällt? Du fragst es und lächelst spöttisch dabei.
»Lieber Freund, mir gefällt noch allerlei: Jedes Frühjahr das erste Tiergartengrün1], Oder wenn in Werder2] die Kirschen blühn, Zu Pfingsten Kalmus3] und Birkenreiser4], Der alte Moltke5], der alte Kaiser6], Und dann zu Pferd, eine Stunde später, Mit dem gelben Streifen der ›Halberstädter‹7]; Kuckucksrufen8], im Wald ein Reh, Ein Spaziergang durch die Läster-Allee9], Paraden, der Schapersche10] Goethekopf Und ein Backfisch 11] mit einem Mozartzopf13].
« Theodor Fontane, aus der Sammlung "Lieder und Sprüche". (Den Gedichttext und als Grundlage die Anmerkungen entnahm ich der Großen Brandenburger Ausgabe der Werke Theodor Fontanes: Gedichte. Band 1. ²1995. S. 44; Anm. S. 462f.- Zuerst 1885. Textgeschichte s. Band I, S. 462) 1] Großer Park in Berlin-Mitte, wo Th. F. gerne spazieren ging. 2] Stadt an der Havel; zur Baumblüte beliebtes Ausflugsziel für Berliner – 3] Kalmus; Pflanze auch zur der medizinischen und religiösen Nutzung, s: 4] "Birkenreise": üblicher Schmuck zu Maifesetsn, ob kirchlich, ob schüteznfesttlich. 5] "Moltke"? 6] Wilhelm I.; er starb am 09.03.1888 7] Gemeint ist Otto von Bismarck. 8] Übliches, jahreszeitlich neues Erinnern an den eigenen Tod (mittels Zählen der Rufe und Assonanz den Jahren des eigenen Lebens 9] Allee im Zoologischen Garten in Berlin. Vgl. „Irrungen und Wirrungen“ (Kap. 5) Die „Lästerer“ saßen zu beiden Seiten des großen Promenadenweges, auch „Poussierpromenade“ genannt. 10] Siehe ooben! 11] Backfisch die zeitgenössische Bezeichnung für heranwachsendes Mädchen, bis in die 50er Jahre des 20. Jh.s. veraltet, umgangssprachlich Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren. 12] "Mozartschopf", setze ich als bekannt voraus. Fontanes Schönheitsidee ist seine Lieblichkeit. Fontane vulgo wusste, dass man nicht mit der Tür, äh, dem Klassikerkönig, ins Gedicht fällt. - Auc von seinem Ableben wird berichtet: von Goethes Ableben...